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Rodena THV Saarlouis-Roden . RODĒNA Theologisch-Historischer Verein Saarlouis-Roden . Theologisch-historische Gesellschaft | ||
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Die historischen Hintergründe der Feuerbestattungvon Josef Theobald
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatte sich neben der traditionell üblichen Erdbestattung hierzulande ebenfalls die Feuer- oder Urnenbestattung etabliert. Zunächst vom Umfeld her als entschieden antikirchliche Bestattungsform eingeführt, ist sie zu einer akzeptierten Gestalt der kirchlichen Bestattung geworden. In den letzten Jahren ist der allgemeine Anteil der Urnenbestattung auch im ländlichen Raum stetig gewachsen, vielerorts ist sie zum Normalfall geworden. Trotz ihrer bereits längeren Geschichte birgt sie jedoch in sich besondere litur- gische wie seelsorgliche Probleme, die bis dato unzureichend bewältigt sind. Die Kremation (Einäscherung) zwischen Trauer- feier und Urnenbeisetzung schafft in vielen Fällen eine trauer- psychologisch prekäre zerdehnte Zeit, der Akt der Kremation selbst bleibt außerhalb des liturgischen Geschehens. Zugleich wird der Weg-Charakter der Bestattung unterbrochen und der Urnengang im familiären Kreis wird zu einem privaten, von der öffentlichen Trauerfeier getrennten Akt. [1]
Zunächst fällt auf, dass die Vorkämpfer der Feuerbestattung eher damit begannen, sich vereinsmäßig zu organisieren als die Anhänger freigeistiger Richtungen innerhalb der Arbeiter- bewegung, ja auch früher als die sogenannten bürgerlichen Freidenker; von einer gleichzeitigen Entstehung kann nicht die Rede sein.
Ein Jahrtausend lang kannte das christlich geprägte Europa zur Erdbestattung keine Alternative, nachdem Karl der Große 784 auf dem Paderborner Reichstag hier die Verbrennung der Leichen verboten hatte. Dahinter standen Bemühungen, den „neuen“ christlichen Glauben von den einst alten heidnischen Traditionen abzusetzen. Erst die Französische Revolution von 1789 entdeckte die Feuerbestattung wieder neu. Ein im Rat der Fünfhundert dahin zielender Antrag vom November 1797 blieb jedoch, bedingt durch die politischen Erschütterungen der Folge- zeit, ohne Wirkung. Seitdem sahen aber die Anhänger dieser Revolution in der Feuerbestattung ein Symbol des Fortschritts, während umgekehrt die Kirchen – unter ihnen die katholische – die Einäscherung stets mit den sich verbreitenden christentums- feindlichen Bestrebungen der Revolution in Verbindung brachten und der Feuerbestattung daher kritisch und ablehnend gegenüber- standen.
Mit welchen Argumenten aber warben die Befürworter der Feuer- bestattung für die Umgestaltung des Bestattungswesens?
Drei Punkte wurden immer wieder herausgestellt:
- Die Feuerbestattung sei in biologisch-hygienischer Hinsicht der Erdbestattung vorzuziehen, da sie durch die rasche Vernichtung möglichen toxischen Umweltgefahren vorbeuge.
- Sie sei volkswirtschaftlich gesehen vernünftiger, da sie – gerade in den großen Städten – Platz und schließlich auf Dauer auch Kosten sparen helfe.
- Weiterhin sprächen ästhetische Gesichtspunkte für sie und gegen das bisherige Erdgrab.
Im Laufe der Jahre wurde aber die Bewegung zur Förderung der Feuerbestattung geprägt von irrationalen Zügen, d. h. die Feuer- bestattung wurde nicht länger aus mehr oder weniger „vernünftigen“ Motiven heraus als unabdingbar proklamiert. Befreit von rationalen Legitimationszwängen erschien sie vielen Kritikern bald als Selbst- zweck, als Ideologie bestimmter esoterischer Gebildetenzirkel ohne großen Anhang. Dies verhinderte vorerst die Entwicklung zu einer Massenbewegung, ehe noch die neue „Kulturforderung“ so recht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen war.
Bestimmte Anzeichen sprechen dafür, dass die Wiederentdeckung der Antike durch die Romantik, verbunden mit wachsendem Inter- esse an volkskundlichen Fragestellungen, ein wichtiger Antrieb für die Verbreitung des Feuerbestattungsgedankens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gewesen ist. Dagegen neigen kirchlich aus- gerichtete Autoren oft dazu, die aus dem Gebiet des Materialismus stammenden Wurzeln hervorzuheben.
Die beiden 1874 in Berlin und Dresden entstandenen Vereine zur Förderung der Feuerbestattung verhielten sich in religiösen Dingen neutral, einmal, um ihre Existenz nicht zu gefährden, und dann, da sich ihr Anliegen tatsächlich allein auf die Feuerbestattung richtete. Das trennte sie von den Gruppierungen, die die Feuerbestattung später unter anderen Voraussetzungen und aus anderen Motiven heraus propagierten.
Bis zum Ende der 1870er Jahre bewegte sich das Für und Wider um die Feuerbestattung in ausschließlich theoretischen Bahnen, weil sowohl die rechtlichen als auch die technischen Bedingungen nicht gegeben waren, um die Verbrennung in geeigneter Form bei Erfüllung einer Reihe von Mindestvoraussetzungen und unter der Wahrung der Pietät durchzuführen. Erst als Friedrich Siemens mit seinem Mitstreiter Richard Schneider 1874 die Entwicklung einer neuartigen Verbrennungsanlage gelang, konnte man jetzt daran gehen, konkrete Maßnahmen zur politischen Durchsetzung der Feuerbestattung zu ergreifen und – nach Beseitigung von diesen Hindernissen – zunächst in Gotha mit dem Bau des Krematoriums zu beginnen.
Als am 10. Dezember 1878 die Feuerbestattung erstmals in einem deutschen Bundesstaat gesetzlich zugelassen wurde, gab es noch viele Gegner, die nach Mitteln suchten, diese Bestattungsart nach- haltig zu bekämpfen. Zu ihnen zählten in erster Linie die Kirchen, die unter anderem ihre Kasualienpraxis [2] für bedroht hielten. So sahen diese in dem Anpassungsvermögen durch die proletarische Freidenkerbewegung in Richtung Feuerbestattung eine Bestätigung für ihre vorgebrachten Motive.
Die Feuerbestattungsidee hatte auch europäische Dimensionen. Hier gab es zwar antikirchliche wie antiklerikale Akzentuierungen, die aber bei diesen Strömungen nur eine Randerscheinung darstellten.
Trotzdem sah sich die katholische Kirche im Mai 1866 zu einem Verbot der Feuerbestattung für alle ihre Gläubigen veranlasst. Nicht der Gegen- satz zum bestehenden kirchlichen Dogma begründete diese Maßnahme, sondern der Hinweis auf die zutiefst christliche Sitte der Erdbestattung seit der Grablegung Christi, die man nicht aufgeben wollte. Ein im Auf- trag der Kirche angefertigtes Gutachten urteilte 1885: „Die Leichenver- brennung scheint … zu verstoßen gegen das Naturgesetz, gegen die geoffenbarte Lehre der Religion und ist einfach Freimaurersache.“
In den evangelischen Landeskirchen wurde allerdings noch vor Aus- bruch des I. Weltkrieges nach einem kurzen, heftigen Kampf in den eigenen Reihen die Feuerbestattung offiziell akzeptiert. Daran hatten evangelische Laien, aber auch Geistliche, großen Anteil. Sie hatten in diesem Bereich jedoch auf die Beschlüsse der jeweiligen Länder- regierungen Rücksicht zu nehmen.
Nachdem am 14. September 1911 im Land Preußen die gesetzlichen Grundlagen für eine Feuerbestattung geschaffen wurden, gab der Ober- kirchenrat der Evangelischen Kirche nur die Erlaubnis zur Mitwirkung der Geistlichen im Trauerhaus bzw. im Krematorium, verbot aber gleichzeitig ein nochmaliges Amtieren anlässlich der Beisetzung der Asche. Außer- dem wurde es den Pfarrern freigestellt, an den Feuerbestattungen auch tatsächlich mitzuwirken. [3]
ANMERKUNGEN
[1] Taschenlexikon Religion und Theologie, Band I: A – F im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, Seite 156.
[2] Bezeichnung für die im Bedarfsfall vorgenommenen kirchlichen Amtshandlungen wie etwa Taufe, Trauung und Bestattung (aus Taschenbuch theologischer Fremdwörter, herausgegeben von Uwe Herrmann, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, die Seite 128.
[3] Jochen-Christoph Kaiser, Arbeiterbewegung und organisierte Religionskritik, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1981, Seiten 55 - 61.
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